“Docutimelines” – so der Titel meiner Dissertation. Er ist inspiriert von all den Jahren, da ich mit Editor:innen vor Computerbildschirmen saß und wir gemeinsam die Timelines der digitalen Schnittsysteme füllten. Timelines, so nennt man die Video- und Audiospuren, auf denen grafisch die Schnittfolgen und Materiallängen visualisiert werden. Eben Interviews, Archivmaterial, Grafiken, Inszenierungen und “Schnittbilder”, teils auf Musik montiert.

Im Zuge der Produktion entsteht so ein de facto musikalisierender “Material-Remix”aus audiovisuellen Samples.

Sujet der Arbeit sind die Gestaltung anleitenden kommunikativen Prozesse, die Modi, wie dabei Bezüge zur Welt, aber in der Zeit hergestellt werden. Jeder Archivschnipsel, jedes Interview, auch jeder Backstage-Dreh entsteht im Rahmen je unterschiedlicher gegenwärtiger wie auch historischer Produktionsbedingungen, die im Material sich zeigen – als hegemoniale Ordnung, als vergegenwärtigtes, historisches Glück oder Leid oder auch nie realisierte Utopie.

“Docutimelines” analysiert und rekonstruiert die Kommunikationen und Zeitbezüge im Spezialfall der Musikdokumentationen, einem Genre, da ich in den letzten 27 Jahren intensiv Erfahrungen sammelte.

Die Arbeit nutzt dabei zentrale Elemente und Ansätze der “Theorie des Kommuniktaiven Handelns” von Jürgen Habermas und im Umfeld entstandener Schriften des für mich so maßgeblichen Denkers. Diese für die Architektur der Arbeit konstitutiven Ansätze ergänzt Docutimelines” durch Theoreme aus dem “Zeit-Bild” von Gilles Deleuze, der “Hauntologie” eines Mark Fisher, der Normallsierungstheorie von Jürgen Link und allerlei Popdiskurs.

Als Ergebnis entsteht ein Modell, das eine Kritik der formatierenden Vernunft begründet, zugleich aber jene Stimmen zurückweist, die öffentlich-rechtliche Medien als “Systemmedien” attackieren und am liebsten abschaffen wollen.

Dabei nutzt “Docutimelines” die System-Lebenswelt-Differenz im Werk von Jürgen Habermas gerade, um den Systembegriff im Rahmen einer Kritik administraiver und ökonomischer Macht zurückzugewinnen, und um die Möglichkeiten demokratischer Öffentlichkeit in ihrer Vielfalt zu stärken und nicht etwa, wie das die lautstarken Angriffe es formulieren, die Demokratie selbst als das Systemische zu begreifen.

Vielmehr zeigt “Docutimelines” auf, dass die Gefahren des Systemischen in einer totalisierten Ökonomie liegen und das Werk von Jürgen Habermas Rationalität als Maßstab der Kritik auch im Rahmen der Produktion von Dokumentationen bereitstellt.